BÄUME - MEMENTO - Austellung vom 19.04. bis 31.10.2020 Drucken

baeume-mementoZur Eröffnung der Ausstellung am 19. April 2020, 15:00 Uhr, sind Sie und Ihre Freunde herzlich eingeladen.
Gudrun Bertling – Lützkendorf (Galeristin)
Einführende Worte: Gudrun Bertling-Lützkendorf
Laudatio: Prof. Dr. Habil. Michael Stuhr, Leipzig
Musik: Dr. Olaf Jeschke, Frankfurt/Main, Fagott

Angelika-Christina Brzóska ist kontaktfreudig. Doch schweigend und mit sich allein erarbeitet die Malerin, in kritischem Selbstbefragen, die ihrem Anliegen entsprechenden Bildwelten. Mit ihnen will sie den gewaltsamen Tod von Bäumen beklagen sowie auf die Lebensrechte der Natur hinweisen.  Dabei scheut sie nicht das Risiko, gegebenenfalls als unmodern zu gelten. Angetrieben von einer Mach-Lust, der Freude an einem ästhetischen Reiz des Vorgefundenen, wie ebenso von einer individuellen Betroffenheit, getragen von einem moralischen Imperativ. Spielerisch leicht, virtuos und von erlesener Nutzlosigkeit ist für sie das Malen durchaus nicht. „Kunst ist“, nach Wilhelm Pinder, „gar kein Spiel, es ist der Kampf gegen den Tod durch die Benennung des Vergänglichen im Gefäße der Form und zugleich vielleicht die Ahnung einer höheren Wirklichkeit“. Anteilnahme am Geschick einer jeglichen Kreatur in der Spannung der Pole ihres Daseins.
     Malerei verstanden als eine sinnbildlich geäußerte Lebensanschauung, beseelt von der Hoffnung, dass die Bilder schließlich, auf die ihnen eigene Art, zum Betrachter zu sprechen begännen, um ihn nachdenklich zu stimmen oder gar betroffen zu machen. Denn, „wer mit alten Bäumen zu sprechen, ihnen zuzuhören weiß, der erfährt die Wahrheit“ (Hermann Hesse). „Wer möchte leben, ohne den Trost der Bäume! Wie gut, dass sie am Sterben teilhaben !“ (Günter Eich). Bilder getöteter Bäume sind es, die heute unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen. Diese eindringlichen Prediger, einst gewachsen nach dem Gesetz, das in ihnen ist, nun geschlagen, erschlagen, verstümmelt. Und das von alters her. So ist es nicht verwunderlich, dass das Wort Holz etymologisch von schlagen, brechen, spalten kommt. Kahlschlag nun heute.
    Schöpfungsmythen erzählen, wie eng das Selbstverständnis des Menschen seit jeher mit seinem Baumverständnis verbunden war. Bilder und Dichtungen zeugen von dieser jahrtausendealten Wechselbeziehung. Auch das Alte Testament durchziehen vielfach Theophanien im Zeichen des Baumes. „Nämlich Jahwe-Gott lies aus dem Erdboden jegliche Art von Bäumen hervor wachsen, herrlich zum Anschauen und köstlich zum Genuss“ (1. Mose 2,9). Nach dem Evangelisten Johannes wüchsen im wiedererstandenen Paradies ebenfalls „Bäume des Lebens, die zwölfmal Früchte tragen und Blätter zur Heilung der Völker“ (Offenbarung 22,2). Mehr als 10.000 Baumarten in vielfältigen Erscheinungen sind bisher beschrieben worden. Die ältesten noch bestehenden Exemplare sind ebenso alt wie die Pyramiden, das Wurzelholz von einigen Baumgreisen lebt sogar seit 9.550 Jahren bis heute. Eiben, die schon Homer Schatten gespendet haben, grünen noch in unseren Tagen. „Wir gingen unter den Bäumen und du nanntest und zeigtest mir jeden“ (Homer, Odyssee). Vor etwa einem halben Jahrhundert wurde noch ein Drittel des Festlandes von Bäumen eingenommen. Heute dürfte es etwa ein Siebtel sein. Doch wir müssten weit über die Hälfte davon fällen, um den gegenwärtigen Holzbedarf zu decken und sei es für den Axt-stiel, denn, „die Wälder bringen Kinder hervor, die dann zu ihrem Tod beitragen werden“ (Leonardo da Vinci).
     Zu allen Zeiten wurde vom Menschen Holz in vielfältiger Weise genutzt. So mussten für den Bau nur einer großen gotischen Kirche allein 20.000 stattliche Stämme herbeigeschafft werden. Über Jahrhunderte hatten  viele Gewerke zum Unterhalten ihrer Feuerstelle einen enorm hohen Holzbedarf. Schon jeder private Haushalt verbrannte bis weit in das 19. Jh. hinein pro Jahr etwa fünfzig Raummeter Holz in seinem Herd. Die Freiberger Silberschmelzhütten benötigten im Mittelalter sogar annähernd das Einhundert-Tausendfache. Wir wissen auch, dass bereits die Etrusker systematisch Bäume in einer Zwanzig-Jahreswirtschaft „anbauten“, ja, sogar, dass vor 4.000 Jahren vorsorglich ausgeästetes Stangenholz für Pfahlbauten verwendet wurde.
      Der Baum wurde vom Menschen jedoch nicht nur genutzt, sondern ebenso von alters her als heilig verehrt. Auch wurden ihm magische Kräfte zugesprochen. Wir haben jedoch heute keine Baumverehrung, sondern eine Baumverheerung.  Fast allen alten Völkern galt der Baum als Synthese von Himmel, Erde und Wasser und symbolisierte damit das sich ständig regenerierende Leben und den unsterblichen Geist. Wir lesen in den überkommenen Schriften vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse und dem der Erleuchtung, vom Baum des Lebens inmitten des Paradieses sowie vom Weltenbaum als Sinnbild vollkommener Harmonie. Er wurzelte in der Tiefe des Weltzentrums und wuchs in  das Himmelsgewölbe, in seinen Zweigen wohnten die Sterne. „Das Wachsen heißt: der Welt des Himmels sich öffnen und zugleich in dem Dunkel der Erde wurzeln, da alles Gediegene nur gedeiht, wenn der Mensch gleich recht beides ist, bereit, dem Anspruch des höchsten Himmels und aufgehoben im Schutz der tragenden Erde“ (Martin Heidegger).
      Bäume, so meinten die Alten einst, brächten die Wahrheit ans Licht, sie hielten unter ihnen Gericht. Von den Bäumen wissen wir heute einiges über ihre Lebens- und Wesensart, sowie viel über ihre Bedeutung für unser Dasein. Wir wissen auch längst, dass es, „wenn der Wald stirbt, keine Naturkatastrophe ist, sondern die logische Folge aus einer langen Reihe von Umweltverbrechen“ (Hans Magnus Enzensberger).  Von den Bäumen wissen wir jedoch ebenfalls, dass, wenn der Wald stirbt, auch unsere Kinder sterben werden. Doch „wer Bäume pflanzt, wird den Himmel gewinnen“(Konfuzius).
                                                                                                B.F.O.B.

 

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