Walter Weiße Drucken

Malereien und Zeichnungen aus dem 21. Jahrhundert

Ausstellung vom 7. August – 31. Oktober 2011

 

»Das Werk jeder Kunst ist Resultat eines Wirklichkeitsempfanges,

 

der durch die umwandelnden Bereiche einer Sinn suchenden

 

Persönlichkeit hindurchgegangen ist.«

 

(Ludwig Praehauser)

 
 
 

„DEZENNIUM 1 PLUS 1" – das ist das Zeitmaß, welches wir im 21. Jahrhundert bis heute durchschritten. Die kleine Auswahl der in dieser Ausstellung erstmalig vorgestellten bildnerischen Arbeiten auf Papier sind in diesen so gekennzeichneten letzten elf Jahren entstanden.

 

Sie beziehen sich alle auf eine irgendwo, irgendwann und irgendwie erlebte „Wirklichkeit". Obwohl Gottfried Benn (1886 – 1956) feststellte, dass eine solche in der Kunst „nicht vonnöten" sei, ist sie wohl auch nicht auszuschließen. (Vergl. W. Weiße, „Ich war Goghist", 2. Teil, 2009)

 
 

»Jurist und Umfeld – Hommage an Curt Becker«, 2000

 
 

Zum Beispiel das Blatt „Feuer im Schnee – Rußland im Winter 1946". Es entstand 58 Jahre nach dem wohltuenden aber zur wirklichen Erwärmung kaum ausreichenden Erlebnis eines „Feuerchens", welches sich kriegsgefangene Deutsche auf freiem Feld im harten russischen Winter 1946 entfachten. Ich war einer von ihnen! Sechs verlorene Jahre meiner Jugend: drei Jahre unfreiwilliger Soldat der Deutschen Luftwaffe und drei Jahre Kriegsgefangener in der Sowjetunion. Neben einer großen Leere im Leben war dieses auch eine harte Lehre für das Leben, die nun als „empfangene Wirklichkeit" nach 58 Jahren eine „Umwandlung" erfuhr in Form einer „Sinnsuche" zum Bild. (Vergl. Zitat v. Praehauser, oben) Oder: „Schöne Gärtnerin Hilde – Endlich Regen" (2002) – die banale Sehnsucht jedes Gärtners nach Regen – hundertmal erlebt mit Hilde, meiner Frau, in unserem Garten am Hang des Freyburger Schweigenberges.

 

Oder: „Jurist und Umfeld – Hommage an Curt Becker" (2000) – entstanden in Verehrung und Bewunderung eines universalen Menschen, der im Laufe der Jahre unser Freund wurde. Doch halt, nähere Erklärungen verbieten sich! Wie sagt der Landsmann von nebenan, Friedrich Nietzsche aus Naumburg: „Leg ich mich aus, so leg ich mich hinein: Ich kann nicht selbst mein Interprete sein." (F. Nietzsche, „Fröhliche Wissenschaft", Scherz 23, 1882)

 
 

»Das Sonnenbad«, 2004

 
 

Ein kleiner Hinweis sei hier noch erlaubt: An der Hauptwand des oberen Galerieraumes sind in einer Block-Hängung drei mal fünf Blätter neben- und übereinander zu sehen, die ich in Verehrung für Max Ernst (1891 – 1973) „décalcomanische Zeichnungen" nennen möchte. Max Ernst schuf im Jahr 1936 seine ersten Décalcomanien, d. h. Bilder, die er auf eine Glasplatte malte, welche er dann – noch feucht – auf einen Bildträger (Leinwand, Papier) drückte. Diese, meine „décalcomanischen Zeichnungen" entstanden in einem ähnlichen Abklatsch-Verfahren. Nur benutzte ich als Druckplatte keine Glasscheibe, sondern bedrucktes Verpackungsmaterial aus Supermärkten – z. B. Pappen aus Textil-Verpackungen, die ich mit Pinsel in schwarzer Tusche „übermalte" und noch feucht auf den Bildträger (Papier) drückte. Durch die so entstandenen fließenden Strukturen ergeben sich zahlreiche Möglichkeiten der Form-Manipulation, die oft zu neuen, überraschenden Bildlösungen führen. (Vergl. W. Weiße, „Irrtümlichkeiten der Gestalt", 2010)

 

Um den geneigten Betrachter diesen technisch-methodologischen Vorgang zu demonstrieren, sind neben dem Bild-Block der Décalcomanien (links) vier benutzte „Druckstöcke" zur vergleichenden Anschauung mit ausgestellt. „Vielleicht haben auch diese einen eigenen bildnerischen Wert", sagte zu mir Achim Freyer, der Freund.

 

Walter Weiße

 

 
 

»Fragmente – schwebend« (décalcomanische Zeichnung), 2007

Walter Weiße

Biografische Fragmente

 

Geboren am 21. Januar 1923 in Freyburg an der Unstrut. Von 1942 bis 1948 unfreiwillige Teilnahme am 2. Weltkrieg als Obergefreiter der Luftwaffe und in sowjetischer Kriegsgefangenschaft. 1953/54 Studium der Kunsterziehung am PI Erfurt und 1957 – 61 Studium der Kunstpädagogik und Kunstgeschichte an der Universität Leipzig, 1961/62 Lehrtätigkeit an der Universität ebenda. Veröffentlichung zahlreicher fachwissenschaftlicher Aufsätze im In- und Ausland. 1960 erste Ausstellung seiner Werke im Romanischen Haus zu Bad Kösen. Seine Lehrer an der Universität Leipzig waren Prof. Elisabeth Voigt (1893 – 1977, Schülerin von Karl Hofer u. Käthe Kollwitz), Prof. Hans Schulze (1904 – 1982) und Heinz Olbrich (1914 – 2009). Seine künstlerische Staatsexamensarbeit trägt den Titel: „Bagger und Boote auf der Unstrut – Wege zum Bild" (85 Einzelarbeiten). Als Aspirant ist er von 1962 bis 1968 an der Humboldt-Universität zu Berlin tätig und promovierte ebenda 1969 über „Probleme der Architekturrezeption am Beispiel der Weinbergarchitekturen und der romanisch-gotischen Stadtkirche St. Marien in Freyburg". Er arbeitete mehr als dreißig Jahre als Kunsterzieher an den Schulen in Freyburg und an der Dorfschule in Gleina. Langjährige Künstlerfreundschaften bestehen zu den Kunstwissenschaftler und Maler Roland Richter (Leipzig), dem Bühnenbildner, Regisseur und Maler Achim Freyer (Berlin), Dieter Goltzsche (Berlin), Karlheinz Schäfer (Berlin u. Branderoda). Zwischen Weiße und Goltzsche entsteht zwischen 1974 und 2007 eine intensive Postkartenkorrespondenz bestehend aus mehr als 2.500 gemalten oder gezeichneten Postkarten. Walter Weiße ist Ehrenmitglied der „Ernst-Ortlepp-Gesellschaft" und des „Vereins zur Rettung und Erhaltung der Neuenburg". Im Jahr 1976 wird er vom Verband Bildender Künstler der DDR als Mitglied abgelehnt. Diese bedeutete: Keine Zuweisung eines Atelierraumes durch die Wohnraumlenkung und keine Zulassung zu professionellen Kunstausstellungen. Damit wurden seine künstlerischen Arbeits- und Wirkungsmöglichkeiten eingeschränkt oder ganz verhindert. Erste Anerkennung seiner künstlerischen Arbeit erfährt Walter Weiße 1978 nach einer Ausstellung von sechzig Arbeiten in der DDR-Subkulturszene am Prenzlauer Berg in Berlin, in der „EP Galerie" von Jürgen Schweinebraden Freiherr von Wichmann-Eichhorn. Die Nationalgalerie in Berlin-Ost kauft auf Umwegen drei Aquarelle aus dieser Ausstellung an. Kurioserweise waren es dieselben, mit der der DDR-Künstlerverband seine Ablehnung Weißes begründet hatte. 1980 wurde er dann durch die Vermittlung und Bürgschaft von Prof. Herbert Sandberg in den VBK-DDR aufgenommen und von der Jury zur IX. Kunstausstellung der DDR 1982/83 in Dresden mit dem gemalten Zyklus „Freyburg – meine Stadt" an dieser Ausstellung beteiligt (s. Katalog).

 

»Feuer im Schnee – Rußland im Winter 1946«, 2004

 

Später hatte er als Maler zahlreiche eigene Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen im In- und Ausland (Deutschland, Schweiz, England, Frankreich, Japan, Ägypten). U. a. war er beteiligt an der „Eight British International Biennale" 1984 in Bradford (England), neben Roy Lichtenstein, Henry Moore, Max Bill, Georg Baselitz u. a.. 1997 gestaltete er gemeinsam mit A. R. Penk (Dublin) und K. Toggenburger (St. Gallen) die vielbeachtete Ausstellung „Chiffre Mensch" in der Kunsthalle zu Erfurt. Im Jahr 2000 war er an der Berliner Ausstellung „Artistenmetaphysik – Friedrich Nietzsche in der Kunst der Nachmoderne" mit 12 Arbeiten und dem Zyklus „Die Wüste wächst: weh dem der Wüsten birgt" vertreten – neben Joseph Beuys, Gerhard Richter, Pierre Klossowski, Arnulf Rainer u. a.

2002 fand in der kunstgeschichtlich bedeutsamen „Kunsthalle am Goetheplatz" in Weimar (vergl. Harry Graf Kessler/1868 – 1937, „Tagebücher".) Walter Weiße's Ausstellung „Tote Krähe vor roter Mauer" statt. Zwei Jahre zuvor (2000) zeigte das Leonardi-Museum in Dresden seine Exposition „Kleine Formate". (Zu allen gen. Ausstellungen erschienen Kataloge.) Weißes Arbeiten befinden sich in privaten und in öffentlichen Sammlungen (u. a. Nationalgalerie Berlin, Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Museum für bildende Künste Leipzig, Modern Graphic Art Museum Kairo). Im Jahr 2004 wurde ihm für sein Lebenswerk das Bundesverdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland verliehen. Walter Weiße lebt und arbeitet als Maler in Freyburg an der Unstrut.
 
 

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