GRAFIK - AQUARELL
Ihre Eigenart, ja, Besonderheit wurzelt in dem Spannungsfeld, dass sich zwischen der gegenstandsnahen Wiedergabe und der Leere des Umfeldes auftut. Meist krummlinig begrenzte linear strukturierte Bereiche stehen in hartem Kantrast zu der gradlinig begrenzten Schwärze der Buchseite. Mittels dieses Balanceaktes von Figur und Grund strebte die lllustratorin ein labiles Gleichgewicht zwischen Körperillusian und Flächenhaftem an. Urgrund und Wesen all dieser Zeichnungen ist die eindimensionale Linie, die selbst im dichtesten Liniengespinst sichtbar bleibt. Diese den Arbeiten innewohnende Spannung wird durch das simple Umkehren von Schwarz und Weiß verstärkt.
Die ausgestellten Arbeiten sind Schabblätter, also Zeichnungen im umfänglichen Sinne. Bei Ihnen wurden nicht, wie gewohnt, auf dem Papier Spuren des Zeichenmaterials hinterlassen, sondern es wurde eine schwarze Farbschicht auf weißem Karton mittels einer (Zeichen-)Feder oder Radiernadel herausgekratzt bzw. geschabt, also etwas von dem Bildträger entfernt, damit die weiße Zeichnung entstehen kann. Das verlangt ein Umkehren im bildnerischen Denken sowie ein konzentriertes Arbeiten. Dabei muss jeder Strich „sitzen". Eine Korrektur ist nicht möglich. Dass diese Technik nicht so flott und elegant zu handhaben ist, nicht so spontan sein kann, wie das Zeichnen mit Bleistift auf einem Bogen Papier, ist leicht vorstellbar. Bei einer gewissen Nähe zur Radierung sind die Schabblätter im Vergleich zur Druckgrafik,einem Abkömmling der Zeichnung, jedoch stets zeichnerische Unikate. Da sie zweckgebunden als Illustration eines Buches gefertigt wurden, verschenkt die Zeichnerin diese Blätter nicht so leichtfertig, wie soeben entstandene Zeichnungen.
Die Wurzeln des für solche Arbeiten erforderlichen Könnens sind zunächst das Bedürfnis, sich bildnerisch auszudrücken, das Sich-begeistern sowie das neugierig-liebevolle Zuwenden zum Gegenüber. Sie sowie eine gewisse Unzufriedenheit und ein Durchhalten-wollen erschaffen sich das notwendige Können. Die Folge davon ist, dass Angelika-Christina Brzóska auf Schritt und Tritt zeichnet. Dass Sie durch und durch Zeichnerin ist, spürt der Betrachter ebenso an den Aquarellen. Auch wenn durch das Verwenden des Pinsels nichtlineare Elemente hinzukommen, ist das fertige Bild merklich zeichnerisch, jedoch keineswegs eine kolorierte Zeichnung. Die Herangehensweise scheint die Malerin davor zu bewahren. Zu Beginn der Arbeit ist nämlich die Komposition nie bis ins Detail ausgeklügelt, die dann nur noch "aus-getuscht" zu werden brauchte. Eine lediglich vage Vorstellung vom Endergebnis lässt Wachsen durch Verändern zu, ein sich immer wieder von seinem Gegenstand anregen zu lassen, aus Form und Farbe gleichermaßen das Bild zu bauen. Dabei ist zuweilen ein mit frappanter Dingtreue wiedergegebenes Detail der Ganzheitlichkeit des in sich stimmigen „Organismus‘ Bild zu opfern. Gewinn durch Verzicht aus einem kritischen Wissen um das Ideal. B. B. |